FESASS-Veranstaltung zur Listung von Tierseuchen
Die Herausforderungen und Grundgedanken bei der Listung von Tierkrankheiten waren das Thema einer von der Europäischen Vereinigung für Tiergesundheit und gesundheitliche Sicherheit (FESASS) organisierten Diskussionsveranstaltung mit den Leitern der staatlichen Veterinärdienste (CVO’s). Zu dieser Veranstaltung konnte Barbara Ehrle-Manthey für die gastgebende Vertretung des Landes Hessen bei der EU am 22. Februar 2016 fast 50 Teilnehmer begrüßen. Der europäische Verband der Tiergesundheitsdienste hatte mit der niederländischen Chefveterinärin Christianne Bruschke und Barbara Logar, der bei der EU-Kommission für die Ausarbeitung des EU-Tiergesundheitsrechts (AHL) zuständigen Mitarbeiterin, gleich zwei hochkarätige Referentinnen aufgeboten.
Frau Bruschke, die zurzeit im Rahmen der niederländischen Ratspräsidentschaft den Vorsitz in der CVO-Arbeitsgruppe innehat, ging in ihrem Impulsreferat auf grundsätzliche Überlegungen zur Listung von Tierseuchen ein. Eine solche Maßnahme soll einen sicheren Handel mit Tieren, genetischem Material und tierischen Erzeugnissen ermöglichen, den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern und für mehr Transparenz sorgen. Zur gleichen Zeit hat die Listung Auswirkungen auf die Überwachung und Bekämpfung von Tierseuchen und auf die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, ihren Tiergesundheitsstatus abzusichern. Anders als bei der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) ist auf EU-Ebene kein Entscheidungsbaum (decision tree
) vorgesehen. Vielmehr gibt die neue EU-Tiergesundheitsverordnung Kriterien vor, die einen flexibleren und breiteren Ansatz ermöglichen. So können zum Beispiel zusätzlich sozioökonomische Auswirkungen und Umwelteffekte einbezogen werden. An den Beispielen Q-Fieber und BVD erläuterte Frau Bruschke, wie dies in der Praxis umgesetzt werden könnte. Dabei wurde deutlich, dass es neben der Bewertung auf fachlicher Ebene auch einen politischen Einfluss geben wird.
Frau Logar rief in ihrem Vortrag den grundsätzlichen Ansatz der EU-Tiergesundheitsstrategie in Erinnerung, dessen erste Säule die Festlegung von Prioritäten für EU-Maßnahmen ist und auf dem die in der Verordnung festgelegten Bestimmungen zur Listung und Kategorisierung von Tierseuchen aufbauen. Der EU geht es zunächst darum festzulegen, welche Tierkrankheiten überhaupt (noch) auf europäische Ebene geregelt werden sollen. Die Priorisierung erfolgt in einem dreistufigen Prozess, in dem zunächst eine Liste mit Seuchen definiert wird, für die die EU zuständig sein wird, danach diesen Krankheiten geeignete Maßnahmen zugeordnet werden und schließlich bestimmt wird, für welche Tierarten die ausgewählten Krankheiten relevant sind. Die Kommission hat vom EU-Gesetzgeber den Auftrag erhalten, mittels delegierter und Durchführungsrechtsakten die vorläufige Liste im Anhang der Verordnung zu überprüfen und anzupassen. Da die Einstufung auf wissenschaftlich abgesicherter Grundlage erfolgen soll, hat die Brüsseler Behörde bereits erste Aufträge an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vergeben, die derzeit bewertet, ob hinsichtlich der Aujeszky-Krankheit, der Enzootischen Bovinen Leukose, der Bovinen Virus-Diarrhoe, der Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis, der Paratuberkulose sowie der Erkrankungen durch das PRRS- und das Koi-Herpes-Virus die Voraussetzungen für eine Listung gegeben sind. Anfang Februar kam ein weiterer Auftrag in Bezug auf das Blauzungenvirus hinzu. Nach Ansicht der Kommission bieten die Kriterien des EU-Tiergesundheitsrechts eine solide Grundlage für eine neutrale Bewertung der Tierkrankheiten. Der Kommission wird zur Entscheidungsfindung auf verschiedene Instrumente zurückgreifen und sagt zu, auch die Interessengruppen in den Prozess einzubeziehen.
Aus Sicht der FESASS stellte ADT-Geschäftsführer Hans-Peter Schons heraus, dass die Listung ein komplexes Thema ist, das über den Kontext des EU-Tiergesundheitsrechts hinaus weist. Für die Tiergesundheitsdienste ist es von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Vorgaben einen Anreiz für kollektiv organisierte Maßnahmen bieten und die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Tierhalter in Betracht gezogen werden. Das Ausmaß der Angeleichung an die OIE-Liste der Tierkrankheiten kann Konsequenzen für die Zertifizierung von Exporten und somit auch für den Austausch von Genetik haben. Die Mitwirkung der Tierhalter und Tierärzte spielt eine entscheidende Rolle, so dass die FESASS eine klare und verständliche Gesetzgebung fordert, die keinen unnötigen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Schließlich muss die Tierseuchenbekämpfung sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet bleiben.
An der anschließenden Podiumsdiskussion, die vom luxemburgischen Chefveterinär Félix Wildschutz moderiert wurde, beteiligten sich die Leiter der staatlichen Veterinärdienste von Österreich (Ulrich Herzog), der Slowakei (Josef Birres) und Frankreichs (Loïc Evain), die stellvertretende schwedische Chefveterinärin Lena Björnerot und Pierdavide Lecchini von der Ständigen Vertretung Italiens bei der EU. Dabei zeigte sich eine große Übereinstimmung im Hinblick auf die weiter oben beschriebenen Notwendigkeiten. Sowohl die staatlichen Veterinärdienste als auch die privaten Tiergesundheitsdienste werden sich in den kommenden Monaten intensiv in die anstehenden Beratungen einbringen, damit voraussichtlich Mitte nächsten Jahres ein praktikabler Gesetzesentwurf vorliegt.
Die Rechte an den Fotos hält die Vertretung des Landes Hessen, bei der sich die ADT für die Zurverfügungstellung herzlich bedankt!