ADT-Ehrenpräsident Dr. h. c. Philipp Reinhard Fürst zu Solms verstorben
Ein Nachruf von Dr. Klaus Meyn (ADT-Geschäftsführer von 1980 bis 2001) und Dr. Otto-Werner Marquardt (amtierender DGfZ-Präsident)
Am 28. Juli 2015 verstarb Dr. h.c. Philipp Reinhard Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich im Alter von 80 Jahren. Geboren wurde er am 27. November 1934 im Schloss der Familie in Lich. Nach Kriegsende besuchte er eine Internatsschule in Bad Reichenhall, studierte Volkswirtschaft und Jura in Freiburg und Genf. Er absolvierte im Hinblick auf seine spätere Tätigkeit eine landwirtschaftliche Lehre und ein landwirtschaftliches Studium an der Universität Gießen. Im Jahr 1967 übernahm er die Bewirtschaftung der Familiengüter mit Ackerbau, Vieh- und Forstwirtschaft. Nach der politischen Wende übernahm er eine ehemalige Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) im Spreewald, die er auf Biolandwirtschaft umstellte. 1988 ließ sich der Verstorbene auf nationaler Ebene zum ersten Mal in die Pflicht nehmen, und zwar als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter e.V. (ADR). Zuvor hatte er auf regionaler Ebene als Vorstandsmitglied in der Besamungsstation Gießen ein tierzüchterisches Ehrenamt inne. Nach Ende der Zuchtvieh Export Firma IMEX benötigte die ADR kurzfristig einen neuen Vorsitzenden. Für Philipp Reinhard Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich wurden es schließlich 14 Jahre, in denen er an der Spitze deutscher und europäischer Organisationen der Tierzucht stand bzw. in entsprechenden Disziplinen tätig war. So war er von 1993 bis 2001 Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT) e.V., 1992–2002 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) e.V., 1995 Vorstandsmitglied und von 1997–2000 Vizepräsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) e.V., Initiator zur Gründung der ADT Projektgesellschaft – ADT Projekt GmbH, 1996– 1998 Aufsichtsratsmitglied der Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) mbH, 1997–2000 Vorstandsmitglied in der Aktionsgemeinschaft Deutsches Fleisch – später eingegliedert in die Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL). Vor seinem Ausscheiden aus den Ehrenämtern der Tierzucht gelang es ihm noch, die Weichen für die Eröffnung einer ADT-Geschäftsstelle in Brüssel zu stellen und die organisierte deutsche Tierzucht auf zukünftige Aufgaben auszurichten.
Auf europäischer Ebene nahm Philipp Reinhard Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich regelmäßig an den Jahrestagungen der Europäischen Vereinigung für Tierproduktion (EAAP) teil. Besonders engagierte er sich für die Unterstützung der mittel- und osteuropäischen EAAP-Mitglieder beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. So nahm er 1991 an einem Symposium in Budapest teil, in welchem die Strategie und die notwendigen Folgemaßnahmen für das nächste Jahrzehnt erarbeitet wurden. Durch Veranstaltungen – für Mittel- und Osteuropäer auf der Grünen Woche in Berlin gemeinsam mit der FAO, der ADT und den deutschen Tierzuchtverbänden – hat er maßgeblich zum Erreichen der gesetzten Ziele beigetragen. 1992 leitetete er eine deutsche Gutachterdelegation von Rinder-, Schaf- und Schweinezüchtern in die Ostukraine. Seit 1996 führte er für vier Jahre als Präsidenten die Geschicke der EAAP mit Sitz in Rom – als zweiter praktizierender Landwirt in der 65-jährigen Geschichte dieser Vereinigung. Auf den Jahrestagungen 1997 in Wien, 1998 in Warschau, 1999 in Zürich und 2000 in den Haag hatte er den Vorsitz. Intensiv hat sich Philipp R. Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich auf EU-Ebene um den Aufbau einer Fach-Vereinigung für Tiergesundheit und Nahrungsmittelsicherheit (FESASS – Fédération Européenne pour la Santé Animale et la Sécurité Sanitaire) bemüht, in der sich die Erzeuger-Organisationen für Tierzucht und Tiergesundheit zur Tiergesundheit, zum Tierschutz und zum Tierwohl sowie zur Nahrungsmittelsicherheit artikulieren. Als analytischer Denker, als sprachkundige Persönlichkeit mit organisatorischem Weitblick und internationalen Verbindungen und als echter Ehrenamtlicher mit uneigennützigem Engagement hat sich Philipp Reinhard Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich in den langen Jahren seines Wirkens hohe Anerkennung erworben. Im Auftreten in der Öffentlichkeit eher zurückhaltend wirkte er lieber aus dem Hintergrund und bevorzugte das Zwiegespräch oder den Gedankenaustausch in der Gruppe.
Geleitet von Experimentierfreude war er nicht nur einer der Pioniere der Holsteinzucht in Deutschland; durch die Einkreuzung französischer Maine-Anjou bemühte er sich auch um eine verbesserte Fleischleistung bei seinen Rindern. Dieses Programm gab er wegen anderer Nachteile jedoch wieder auf. Nach der Wende suchte er auf seinem Bio- Betrieb im Spreewald an marginalem Standort nach angepassten Zuchtstrategien für seine Rinder unter Verwendung von Holsteins, Schwedischen Rotbunten und Braunvieh in der Zwei- bzw. Dreirassenkreuzung. Dieser Ansatz könnte nachhaltig erfolgreich sein, zumal die Verbraucher-Nachfrage nach Biomilch und Biofleisch stetig ansteigt. Als ADR-Vorsitzender gab der Verstorbene frühzeitig Impulse zur Bearbeitung von Fragen, die die Nachhaltigkeit der Zucht- und Vermarktungsaktivitäten der Verbände bedrohten. So überzeugte er die Entscheidungsgremien von der Notwendigkeit der Finanzierung angewandter Forschung durch anerkannte, neutrale Forschungseinrichtungen, z.B. des Langstrecken-Transports von Zuchtrindern auf der Straße. In vielen Fragen der Tierseuchenbekämpfung und des Tierschutzes suchte er den Austausch mit der Veterinärwissenschaft und war anerkannter Gesprächspartner der Veterinärverwaltungen in Bund und Ländern.
Unvergessen bleibt sein Einsatz beim Umbau der Tierzuchtstrukturen in den Neuen Bundesländern nach der politischen Wende. Aus den 14 Bezirken der ehemaligen DDR entstanden die heutigen 5 Neuen Bundesländer. Die neugegründeten Zuchtverbände entbehrten auf Landesebene der finanziellen Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften. Durch geschicktes Verhandeln mit dem Bundesagrarministerium und im politischen Raum gelang ihm für die Rinder- und Schweinezucht eine Vereinbarung, der zufolge die neuen Landeszuchtverbände die benötigten Besamungsstationen zu besonderen Konditionen erwerben konnten. Besonders in der Rinderzucht hat sich diese Vereinbarung als sehr segensreich erwiesen. In jedem der Neuen Bundesländer sind heute, fast 25 Jahre danach, effiziente Landes-Besamungszucht- und Vermarktungsorganisationen als wichtige Dienstleister im ländlichen Raum tätig. Unvergessen bleibt auch die Entscheidung des Fürsten, das von den Kurmärkischen Rinderzüchtern vor dem 2. Weltkrieg aufgebrachte Kapital in der Tierzuchthallen GmbH an den Rinderzuchtverband Berlin-Brandenburg e.V. zurückzugeben.
Seine Sprachkenntnisse, sein analytisches Denken und seine Arbeit als Ehrenamtlicher haben dem Verstorbenen national und international viel Anerkennung und Sympathien eingebracht. Er war ein guter Botschafter für die deutsche Tierzucht. Seine Lebensleistung wurde u.a. durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde von der Universität Gießen, durch das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und durch Ehrungen im Verbandsbereich gewürdigt. Die Tierzüchter werden sein Andenken bewahren. Philipp Reinhard Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich hinterlässt eine Witwe, vier erwachsene Kinder und zahlreiche Enkelkinder.
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