Bericht über die Mitgliederversammlung am 19. Oktober 2015
Die Beratungen über eine neue EU-Verordnung zur Tierzucht sind in die entscheidende Phase eingetreten. Noch in diesem Jahr kann mit einer politischen Einigung gerechnet werden. Daher hat die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT) das Thema erneut aufgegriffen und die Vertreter der deutschen Tierartendachverbände auf ihrer Mitgliederversammlung am 19. Oktober 2015 in Brüssel über die wichtigsten Änderungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag informiert, die in den zuständigen Ausschüssen des Europäischen Parlaments und Arbeitsgruppen des Rates diskutiert werden. In dem Regelwerk sind mehr Definitionen geplant, wobei insbesondere die Begriffsbestimmungen für Rasse
und Zuchtprogramm
umstritten sind. Bisher liegen unterschiedliche Formulierungen von Rat und Parlament vor und aus Sicht der ADT stellt sich die Frage, ob die neuen Definitionen tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit führen oder wegen der rechtsverbindlichen Festlegung erst recht Anlass zu Streitigkeiten geben. Bisher bestimmen die Zuchtverbände selber, was sie unter Rasse
verstehen und haben dabei die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten berücksichtigt. Die von der Kommission vorgeschlagene Trennung von Anerkennung eines Zuchtverbands und Genehmigung eines Zuchtprogramms wird von den beiden anderen EU-Institutionen mitgetragen, beide fordern aber präzisere Vorgaben zum Ablauf der Verfahren. Ein besonders umstrittener Punkt ist die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen die Durchführung von Zuchtprogrammen, die bereits in einem anderen Land genehmigt wurden, auf ihrem Hoheitsgebiet zu verweigern. Parlament und Rat wollen an dieser Stelle nicht dem liberalen Ansatz der Kommission folgen, sondern angelehnt an die bisherige Gesetzgebung weitergehende Möglichkeiten erlauben. Gut ist nach Ansicht der ADT, dass die Artikel zu den Rechten der Züchter und zur Streitbeilegung vereinfacht wurden; ebenso wie die Vorschriften zu den amtlichen tierzuchtrechtlichen Kontrollen. Klärungsbedarf wird dagegen noch in Bezug auf Vorschläge zur Reglementierung der Kreuzungszucht und hinsichtlich der Detailtiefe der Regelungen zur Leistungsprüfung und Zuchtwertschätzung gesehen.
Geschäftsführer Hans-Peter Schons hatte zuvor über das positive Ergebnis des Geschäftsjahres 2014 und die aktuellen Schwerpunkte der Verbandsarbeit berichtet. Das neben der Tierzuchtverordnung wichtigste Thema im Berichtsjahr war das EU-Tiergesundheitsgesetz. Die ADT begleitete in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Vereinigung für Tiergesundheit und gesundheitliche Sicherheit (FESASS) die Beratungen im Europäischen Parlament und im Rat. Das Parlament hatte bereits im April des vergangenen Jahres eine Position in erster Lesung beschlossen, die im September 2014 von der neu gewählten Kammer bestätigt wurde. Der Rat einigte sich im Dezember auf eine Verhandlungsposition. Im ersten Halbjahr 2015 konnten Rat, Parlament und Kommission in den Trilogverhandlungen eine politische Einigung erzielen und inzwischen liegt ein überarbeiteter, konsolidierter Text vor. Außerdem befasst sich die ADT mit den Alternativen zur Kastration von Ferkeln, den Vorschlägen für eine EU-Gesetzgebung zum Klonen von Tieren, den TSE-bedingten Beschränkungen beim innergemeinschaftlichen Handel mit Schafen und Ziegen, den nicht-tarifären Handelshemmnissen beim Export von Zuchttieren und genetischem Material und der jüngst angestoßenen Diskussion über eine mögliche neue EU-Tierschutzstrategie für die Jahre 2016 bis 2020.
Präsident Reimer Böge ging besonders auf die zunehmenden Probleme der Weidetierhalter mit Wölfen ein. Nicht immer sei ein hoher Zaun die Lösung, denn neben praktischen Problemen und den hohen Kosten sei zu bedenken, dass die betroffenen Flächen dann auch anderen Wildtieren nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Einstufung des Wolfes in die Anhänge der einschlägigen EU-Verordnung werde in den Europa unterschiedlich gehandhabt, woraus sich vielleicht Ansätze für angemessene und flexible Lösungen ergeben könnten. Er rief Bund und Länder dazu auf, sich zusammensetzen und verantwortlich mit dem Thema umzugehen.
Die Vorsitzenden und Geschäftsführer der Tierzuchtorganisationen hörten außerdem einen Vortrag über aktuelle Fragen der Gemeinsamen Agrarpolitik, in dem Jens Schaps, Leiter der Abteilung C der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission, auf das Solidaritätspaket, verschiedene Initiativen zur Vereinfachung der GAP und die Entwicklung auf den Agrarmärkten der EU einging.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel waren das Thema der Diskussionsrunde im Rahmen des traditionellen Parlamentarischen Abends, der diesmal in der Vertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union stattfand. Deren Leiter Michael Freericks hieß die Gäste willkommen und betonte die hohe Wichtigkeit, die Niedersachsen als bedeutender Standort der Tierzucht dem Thema beimisst. Er erinnerte daran, dass die Landeregierung bereits im Juni einen interministeriellen Arbeitskreis eingesetzt und das Ziel ausgegeben hat, binnen fünf Jahren die in den Tierställen eingesetzte Antibiotikamenge um die Hälfte zu reduzieren. Präsident Reimer Böge hob die besondere Aktualität des Themas auf EU-Ebene hervor. Die neue EU-Tiergesundheitsverordnung hat eine Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen geschaffen und in den Vorschlägen der Kommission für Verordnungen zu Tierarzneimitteln sowie zu Arzneifuttermitteln sind weitere, konkrete Maßnahmen vorgesehen, wie z. B. eine Einschränkung des Einsatzes der für die Humanmedizin kritischen Antibiotika
in der Tierhaltung. Überdies soll der Aktionsplan der Kommission nach einer externen Bewertung weiterentwickelt werden. Auf dem Podium diskutierten MdEP Martin Häusling (Bündnis 90/Die Grünen), Wolfgang Trunk von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Sante), Hans-Joachim Götz vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) sowie ADT-Geschäftsführer Hans-Peter Schons. Die Panelisten waren sich darin einig, dass die Tierhalter Maßnahmen ergreifen müssen. Unterschiedliche Auffassungen gab es aber über die Wahl der zielführenden Mittel, die Einbindung aller Beteiligten und die Folgen für die Tierhalter.