FESASS-Fachtagung am 24. und 25. Oktober 2019 in Elvas (Portugal)
Die Tierseuchenbekämpfung in der Europäischen Union wird im April 2021 auf eine neue Grundlage gestellt. Bereits jetzt arbeitet die EU-Kommission an zahlreichen Durchführungsbestimmungen, in denen zum Teil neue Zuständigkeiten für die Tierhalter geregelt werden. Aus diesem aktuellem Anlass hat der Verwaltungsrat der Europäischen Vereinigung der Tiergesundheitsdienste (FESASS) beschlossen, die Umsetzung des EU-Tiergesundheitsgesetzes (Verordnung 2016/429) zum Thema der diesjährigen Fachtagung zu machen. Die Veranstaltung fand am 24. und 25. Oktober 2019 in Elvas (Portugal) statt und wurde von den portugiesischen Tiergesundheitsdiensten UADS (aus der Region Alentejo) und UCADESA (Nord-Portugal) organisiert. An der Veranstaltung nahmen 180 Personen teil (Experten, Landwirte und Tierärzte sowie Wissenschaftler und Vertreter der portugiesischen und spanischen Behörden). Unter anderem wurden folgende Themen behandelt: die tiergesundheitlichen Anforderungen an innergemeinschaftliche Verbringungen von Tieren, Aktivitäten zur Bekämpfung der Paratuberkulose, die Bedeutung des Eine Gesundheit
-Ansatzes für die Lebensmittelsicherheit, die Zuständigkeiten der Tierhalter im Rahmen des neuen EU-Tiergesundheitsrechts, die Biosicherheit auf den landwirtschaftlichen Betrieben sowie individuelle bzw. kollektive Ansätze zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit.
Der erste Veranstaltungstag wurde eingeleitet mit einer Präsentation von FESASS-Generalsekretär Alain Cantaloube über die Strukturen, Ziele und Aktivitäten des europäischen Dachverbands und eine Vorstellung des portugiesischen Tierzuchtsektors durch Vertreter der beiden portugiesischen Tiergesundheitsdienste UCADESA und UADS. Anschließend wurde auf der ersten thematischen Sitzung am Beispiel der Blauzungenkrankheit und der IBR über die tiergesundheitlichen Anforderungen beim innergemeinschaftlichen Handel mit Tieren diskutiert. Hier zeigten sich insbesondere einige Teilnehmer aus Spanien unzufrieden mit der komplizierten Regelung in ihrem Land. Sie forderten einfachere Verfahren, ähnlich wie in Frankreich, wo die Behörden gleich das ganze Land als Restriktionsgebiet ausgewiesen haben, was natürlich die innerstaatlichen Transporte erleichtert. Evelyne de Graef und Stefaan Ribbens vom belgischen FESASS-Mitglied dgz aus Flandern berichtete über die jüngsten Fortschritte der BHV1-Sanierung in Belgien. Als Land mit einem relativ hohen Anteil an Einfuhren aus den benachbarten EU-Staaten achtet Belgien ganz besonders auf die Bedingungen beim Handel mit Tieren und auf den Viehmärkten. Nachdem die ersten freiwilligen Programme ab dem Jahr 2007 noch nicht viele Teilnehmer hatten, kam 2012 mit der Einführung des Pflichtprogramms und dem Einsatz von Markerimpfstoffen mehr Bewegung in die Sache. Bereits zwei Jahre später konnte der Artikel 9
-Status erreicht werden. Im vergangenen Jahr haben allerdings etwa 30 Herden ihren Status wieder verloren, was den Tiergesundheitsdienst ein intensiveres Monitoring und bessere Unterstützung für solche Betriebe fordern lässt.
Die zweite Fachsitzung befasste sich mit den Aktivitäten zur Bekämpfung der Paratuberkulose. Hierzu berichteten Frau Ingrid Lorenz vom TGD Bayern und David Nwga-Mbot von GDS France. Frau Lorenz stellte unter anderem die wichtigsten Elemente der Empfehlungen für Hygienemaßnahmen bei der Haltung von Wiederkäuern vor und hob die Bedeutung von Hygienemaßnahmen und dem Entfernen positiver Tiere hervor. Anschließend berichtete sie von dem Pflichtprogramm in Niedersachsen und den freiwilligen Programmen in 7 anderen Bundesländern. Sie berichtete auch v on den ersten Ergebnissen der Untersuchungen in Bayern und den aktuellen Überlegungen zur Verwendung von Milchsammelproben, wobei der Festlegung von cut-off-Werten besondere Bedeutung zukommt. Herr Nwga-Mbot stellte eingangs dar, dass die ParaTB in Frankreich nicht meldepflichtig ist. Es gibt aber seit dem Jahr 2000 ein nationales Überwachungsprogramm und die freiwillige Möglichkeit der Zertifizierung von Herden (das entsprechende Programm wurde 2017 überarbeitet). Unter Mithilfe der Tiergesundheitsdienste und der Besamungsgenossenschaften ist ein Forschungsprogramm (PICSAR
) zur Entwicklung innovativer Bekämpfungsstrategien gestartet worden. Untersucht werden rund 3000 Tiere der Rassen Holstein und Normande. Zum Abschluss des ersten Tages erläuterte David John vom europäischen Dachverband der Tierarzneimittelhersteller die Arbeiten der Europäischen Kommission zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (EuFMD)
(nicht zu verwechseln mit der Brüsseler Behörde! Es handelt sich vielmehr um einen Ausschuss, der bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) angesiedelt ist). Die EuFMD wurde 1954 gegründet und hat 39 Mitgliedsländer aus ganz Europa. Sie arbeitet in enger Abstimmung mit der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (GD Sante) der EU-Kommission sowie mit der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE). In dem kürzlich verabschiedeten neuen Strategieplan (Hold-FAST) wurden unter anderem der Ausbau eines Frühwarnsystems für MKS und andere länderübergreifende Tierseuchen sowie die Gründung einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft zur Impfstoff-Sicherheit (Platform of vaccine security) vereinbart. Zu den anderen Tierkrankheiten zählen die Peste des Petits Ruminants (PPR), das Rift Valley Fieber (RVF), die Lumpy skin Krankheit (LSD) und das Ephemeres Rinderfieber (auch bekannt als Drei-Tage-Krankheit).
Der zweite Tag begann mit einer ausführlichen Darstellung des EU-Tiergesundheitsrechts (AHL
, VO 2016/429) durch Fernando Bernardo vom portugiesischen Landwirtschaftsministerium (DGAV). Er ging auf die Ziele der Verordnung ein und beschrieb besonders die in Teil I, Kapitel 3 niedergeschriebenen Zuständigkeiten für die Tiergesundheit. Im zweiten Teil seines Vortrags erläuterte er den Stand der Arbeiten an den delegierten und Durchführungsverordnungen. Während sich die Ausführungen von Herrn Bernardo zum großen Teil auf Bestimmungen konzentrierten, die für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten relevant sind (wie die Notifizierung, die Einreichung von Bekämpfungsprogrammen oder Verwendung des ADIS) griffen ADT-Geschäftsführer Hans-Peter Schons und FESASS-Generalsekretär Alain Cantaloube die Zuständigkeiten der Tierhalter auf und analysierten aus Sicht der Tiergesundheitsdienste, welche Herausforderungen dabei auf die Landwirte zukommen. Mit ihrem gemeinsamen Beitrag bereiteten sie die beiden folgenden Panel-Diskussionen vor, die sich zum einen mit der Biosicherheit auf den Höfen und zum anderen mit den individuellen und kollektiven Ansätzen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Tierseuchen befassten. Die FESASS-Vertreter erinnerten daran, dass es nicht nur um die in Artikel 10 und 11 des AHL ausdrücklich genannten Zuständigkeiten für die Tiergesundheit und zum Schutz vor biologischen Gefahren bzw. die Kenntnisse über Tiergesundheit geht, sondern dass an zahlreichen anderen Stellen des Gesetzestextes zusätzliche Anforderungen an die Mithilfe bei der Überwachung, der Tierkennzeichnung oder Auflagen für Tierverbringungen definiert werden. Aus Sicht der FESASS muss es gelingen, einerseits ambitionierte Anforderungen zu formulieren, die zu einer tatsächlichen Verbesserung des Tiergesundheitsschutzes führen, ohne andererseits eine hinreichende Flexibilität zu bewahren, um den Gegebenheiten vor Ort Rechnung zu tragen. Schließlich sollte die Rolle der Tiergesundheitsdienste und deren auf gemeinschaftliche Aktionen aufbauender Ansatz überall gefördert werden!
Die erste Paneldiskussion unter der Leitung von Dr. Augustin Gonzalez Sanchez (FADSG) startete mit einem Impulsvortrag von Prof. Albano Beja-Pereira, der über die Fortschritte bei der Genomanalyse und deren Nutzung zur Entwicklung eines Rückverfolgbarkeitssystems bei UCADESA berichtete. Im zweiten Kurzvortrag konnte Dr. Ferdinand Schmitt die Kompetenzen der ADT Project Consulting GmbH bei der Implementierung von Systemen zur Tierkennzeichnung und zur Rückverfolgbarkeit unter Beweis stellen. Er stellte fest, dass es umfassende rechtliche Rahmenregelungen gibt, die aber unterschiedlich umgesetzt werden. Dabei liegt der Schwerpunkt häufig auf übergeordneten Fragestellungen, während die Anwenderfreundlichkeit nicht immer gegeben ist. Durch die Cross-compliance Kontrollen bescheinigte der dem EU-System eine im internationalen Vergleich hohe Qualität. Prof. Telmo Nunes erläuterte, wie die Biosicherheit in den extensiven Verhältnissen der portugiesischen Rinderhaltung verbessert wird; er tat das am Beispiel des Programms zur Bekämpfung von IBR und BVD. Es wurde eine breit angelegte Kommunikationskampagne gestartet, um die Tierhalter für die kritischen Bereiche zu sensibilisieren, wobei je nach Risiko unterschiedliche Maßnahmen angezeigt sind. Er unterstrich die Bedeutung eines kollektiven und multidisziplinären Ansatzes. Schließlich erklärte Miguel A. Higuera von der spanischen Branchenorganisation der Schweinefleischerzeuger den Unterschied zwischen externer und interner Biosicherheit. Damit sind zum einen die Maßnahmen gemeint, mit denen das Eindringen von Krankheitserregern in den Betrieb und zum anderen die Ausbreitung innerhalb des Betriebs verhindert werden sollen. Das dritte Element des in Spanien verfolgten Ansatzes, den Austrag der Erreger zu unterbinden (bio-contention
) wird laut Higuera dagegen nicht immer ausreichend berücksichtigt.
Professor Niza Ribeiro von der Universität Porto moderierte das zweite Panel zum Thema individuelles und kollektives Tiergesundheitsmanagement. Zunächst rief Linda van Wuyckhuise vom niederländischen Tiergesundheitsdienst die Erfahrungen mit der Maul- und Klauenseuche in Erinnerung, welche die Niederlande beim letzten Ausbruch 2001 gemacht hatten. Ihre wichtigste Schlussfolgerung war, dass beim nächsten Mal der Einsatz von Markerimpfstoffen angedacht ist, mit dem Ziel, keine Tiere keulen zu müssen. Ana Luisa Pereira (UADS Alentejo) beleuchtete in ihrem Kurzbeitrag die Bestimmungen des EU-Tiergesundheitsrechts hinsichtlich der Rindertuberkulose. Ihre Ausführungen wurden ergänzt von Jean-Yves Houtain, der über das entsprechende Bekämpfungsprogramm in Belgien berichtete. Der geplante Übergang auf die Verwendung von ELISA-Tests beim Ankauf und Gamma-Interferon-Tests für das Screening im Winter ist zwar mit etwa doppelt so hohe Kosten verbunden, führt aber auch zu einer deutlichen Erhöhung der Sensitivität und damit der gesamten Zuverlässigkeit des Programms. Anschließend gab David Graham (Animal Health Ireland) einen Überblick über die BVD-Bekämpfung in Europa. Er nutzte die Gelegenheit, um auf das von AHI und der FESASS unterstützte Projekt STOC free (Surveillance Tool for Outcome-based Comparison of FREEdom from infection) hinzuweisen. Hier geht es um einen objektiven und standardisierten Vergleich der Ergebnisse der verschiedenen Bekämpfungsprogramme, um einen sicheren Handel zu gewährleisten. Das Modell wird zunächst am Beispiel der BVD entwickelt und soll danach für andere, nicht-reglementierte Tierseuchen angepasst werden. In den beiden letzten Vorträgen stand mehr der ganzheitliche Ansatz im Vordergrund. Yves Bony stellte die Arbeit des Tiergesundheitsdienstes FODSA im französischen Département Aveyron vor und Johan De Meulemeester berichtete über die Entwicklung und die Potenziale der Gewebeohrmarken.
Am Ende des mit vielen interessanten Fachvorträgen gespickten Programms, dem am Vormittag des ersten Tages noch ein vom französischen Tiergesundheitsdienst GDS France organisierter Workshop zur Besnoitiose vorgeschaltet war, reisten die Teilnehmer mit vielen neuen Eindrücken nach Hause. Eine der Schlussfolgerungen ist sicherlich, dass ein breiter Konsens darüber besteht, die Biosicherheit zu erhöhen. Die neue EU-Verordnung zur Tierseuchenbekämpfung bietet dafür eine gute Grundlage, die entsprechenden Bestimmungen sind aber noch nicht an allen Stellen hinreichend genau formuliert. Dasselbe gilt für die in der VO 2016/429 beschriebenen Zuständigkeiten der Tierhalter und der Tierärzte. Die Tiergesundheitsdienste werden sich hier einbringen müssen, um die Aufgaben zu erklären und Vertrauen aufzubauen. Entscheidend wird auch sein, inwieweit es gelingt, die auf EU-Ebene festgelegten Vorschriften in den Mitgliedstaaten mit der nötigen Flexibilität umzusetzen, um den lokalen Besonderheiten und den unterschiedlichen Voraussetzungen ausreichend Rechnung zu tragen.
Nachfolgend finden Sie die Links zum Herunterladen der verschiedenen Präsentationen: