Bericht über die Mitgliederversammlung 2010
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT) diskutiert über Tierschutzstandards, die Entwicklung der Märkte für tierische Erzeugnisse und die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik – Präsidium für weitere drei Jahre bestätigt
Präsident Reimer Böge eröffnet den Parlamentarischen Abend der ADT am 4. Oktober 2010. In der ersten Reihe: Joseph Daul und Ico von Wedel, die beiden weiteren Redner.
In diesem Jahr stand der Parlamentarische Abend der ADT ganz im Zeichen der Diskussion über die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Präsident Reimer Böge konnte am 4. Oktober 2010 in der Landesvertretung von Niedersachsen in Brüssel wiederum zahlreiche Vertreter der angeschlossenen Mitgliedsorganisationen sowie Gäste aus dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission, den Vertretungen der Bundesländer sowie befreundeten Verbänden begrüßen. In seinem Einführungsvortrag betonte Ico von Wedel, Mitarbeiter im Kabinett von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, zunächst die Bedeutung eines umfassenden Dialogs mit allen Gruppen der Zivilgesellschaft, um einen breiten Konsens für die neue EU-Agrarpolitik zu haben. Es sei keine Zeit für große Umbrüche, meinte er unter Hinweis auf die vorangegangenen Reformen der GAP; vielmehr werde ein gewisses Maß an Kontinuität gebraucht. Er sprach sich für die Beibehaltung der beiden Säulen aus, wobei in der ersten Säule alle Zahlungen zusammengefasst werden könnten, die jährlich erfolgen und sich leicht kontrollieren lassen. Alle anderen Maßnahmen, die komplexer sind, wären dann in der zweiten Säule. Schwierig sei die Diskussion um historische Referenzzeiträume, die nicht unbegrenzt lange beibehalten werden könnten. Auch für die Zahlungen an Großbetriebe müsse eine bessere Lösung gefunden werden, denn diese brächten eine ansonsten gut aufgestellte Agrarpolitik immer wieder in Misskredit. Ähnlich wie Ciolos einige Tage vorher in Dublin kündigte er an, dass die Kommission künftig die aktiven Landwirte noch stärker in den Mittelpunkt stellen wolle. Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Joseph Daul, bekräftigte, dass mit Blick auf die GAP nach 2013 eine Evolution und keine Revolution zu erwarten sei. Erst müsse klar sein, welches Budget für die Agrarpolitik zur Verfügung stehe, dann könne man über deren konkrete Ausgestaltung entscheiden. Mit großem Nachdruck wies er Forderungen aus einigen Mitgliedstaaten zurück, den Agrarhaushalt um mindestens 20 % zu kürzen. Er machte darauf aufmerksam, dass es sich letztlich gar nicht um Geld für Brüssel
handele, sondern um Mittel, die in die Mitgliedstaaten zurück flössen. Ein möglicher Ansatz, um die Finanzierungsprobleme der EU zu lösen, könne die Erhöhung der Eigenmittel sein, zum Beispiel durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Er kündigte an, dass die EVP entsprechende Vorschläge erarbeiten werde.
Auf der Mitgliederversammlung der ADT hatte Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Schons zuvor über die Ergebnisse des Geschäftsjahres 2009 und die aktuellen Schwerpunkte der Verbandsarbeit berichtet, zu denen neben der EU-Tierzuchtgesetzgebung die Vorarbeiten zum zweiten EU-Aktionsplan Tierschutz, der Tiertransport, die elektronische Kennzeichnung von Tieren (Schafe, Pferde, Rinder), das Klonen von Tieren, die Umsetzung der EU-Tiergesundheitsstrategie und Biopatente zählten. Außerdem bestätigte die Mitgliederversammlung das Präsidium für eine weitere Amtsperiode von drei Jahren. Neben Präsident Böge gehören dem Gremium Helmut Ehlen vom Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion (ZDS) als Vizepräsident sowie Leo Siebers, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR), Theodor Leuchten, der Vorsitzende des Bereichs Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und Gerhard Wagner, der Präsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), an.
Im Vortragsteil berichtete Dr. Otto Schmid vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) aus Frick in der Schweiz über das Projekt Econ Welfare. Im Mittelpunkt dieses von der EU geförderten Forschungsvorhabens stehen die sozioökonomischen Aspekte des Tierschutzes. Es soll dazu beitragen, effektive Politikinstrumente und –maßnahmen zu finden, die den Schutz und das Wohlbefinden von Nutztieren erhöhen. Dazu wurden 84 bestehende Tierschutzinitiativen bzw. –regelungen aus acht Ländern analysiert und deren Stärken und Schwächen bewertet. Dabei konnten vier Entwicklungswege zu erhöhtem Tierschutz im Marktbereich identifiziert werden. Gleiche Spielregeln und Voraussetzungen gibt es dabei bisher nicht; die nationale Gesetzgebung ist manchmal strikter als die EU-Vorschriften und diese wiederum sind oft strenger als die Tierschutz-Regelungen in Nicht-EU-Ländern. Mit Blick auf die unterschiedlichen Akteure bestätigt sich, dass die Verbraucher zwar an verbesserten Tierschutzanforderungen interessiert, aber nur begrenzt dazu bereit sind, mehr zu zahlen und dass die Verbraucherorganisationen dem Tierschutz relativ wenig Gewicht beimessen. Die Tierschutzverbände lösen durch ihre Kampagnen häufig eine neue Tierschutzgesetzgebung aus, sie repräsentieren aber nicht die Mehrheit der EU-Bürger. Ein großer Einfluss wird den Einzelhandelsketten zugeschrieben, die zwischen Erzeugern und Verbrauchern stehen und in dieser Rolle die Nachfrage nach mehr Tierschutz in spezifische Initiativen übersetzen können. Eine Delphi-Befragung soll dabei helfen, politik-orientierte Instrumente und Maßnahmen zu entwickeln, um die bestehenden EU-Richtlinien und Verordnungen im Sinne des Aktionsplans der Gemeinschaft für den Schutz und das Wohlbefinden der Tiere zu verbessern und ihre Effektivität zu dokumentieren. Ergebnisse zu den ökonomischen Auswirkungen auf der Betriebsebene, die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette sowie den internationalen Handel stehen noch aus.
Im zweiten Vortrag befasste sich Dr. Christine Moeller von der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission mit den Perspektiven des EU-Tierhaltungssektors. Der mittel- bis langfristige Trend ist gekennzeichnet durch einen stärkeren Strukturwandel, geänderte Tierschutz- und –haltungsbedingungen, eine zunehmende Spezialisierung und einem Anstieg der Arbeitsproduktivität. Die Rentabilität nimmt mit steigender wirtschaftlicher Betriebsgröße zu, bleibt aber in einigen Bereichen sogar bei den größten Betrieben negativ. Der Vieh- und Fleischsektor wird als sehr relevant angesehen, denn er weist einen hohen Anteil an der Wertschöpfung des Agrarsektors sowie bei den Verbraucherausgaben auf und ist eine wichtige Triebkraft für die Landnutzung. Die Viehhaltung gerät aber von der Nachfrageseite unter Druck, weil die Verbraucherpreise für Fleisch nicht so stark steigen wie die Lebensmittelpreise insgesamt. Der deutliche Anstieg der Energiepreise wird weltweit als hemmender Faktor gesehen, da er zu steigenden Produktionskosten führt. Vor diesem Hintergrund müssen die Prognosemodelle kritisch überprüft werden. Es ist fraglich, ob es tatsächlich zu den weithin erwarteten realen Preissteigerungen für Agrarprodukte kommen wird.