Bericht über die Mitgliederversammlung 2011
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT) diskutiert über die EU-Fleischmärkte, die Herausforderungen des Klimawandels für die Tierzucht und die Vorschläge für die Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 – Fortwengel neu im Präsidium – ADT Projekt neues Mitglied
Auf ihrer Mitgliederversammlung am 17. Oktober 2011 in Brüssel haben die Vertreter der ADT-Mitgliedsorganisationen mit Dr. Kai-Uwe Sprenger von der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission über die Perspektiven der EU-Fleischmärkte diskutiert. Für die Zeit bis 2020 erwartet die Kommission einen moderaten Anstieg der Fleischerzeugung. Der Rückgang der Produktion von Rind- und Schaffleisch wird dabei durch ein höheres Aufkommen an Schweine- und Geflügelfleisch überkompensiert. Ähnlich verhält es sich mit dem Fleischverbrauch. Die Ausfuhren der EU in Drittländer dürften deutlich sinken, während die Einfuhren weiter steigen. Die EU dürfte aber auch 2020 noch ein Nettoexporteur von Fleisch sein, allerdings nur noch bei Schweinefleisch, bei den anderen Fleischarten wird sie mehr ein- als ausführen. Einen bestimmenden Einfluss auf die weitere Entwicklung wird die Situation in den für den Weltmarkt wichtigen Drittländern haben, insbesondere in China und Brasilien mit ihren enormen Produktionspotenzialen. Die möglichen Auswirkungen des Umbaus der EU-Agrarpolitik nach 2014 ist in den Modellrechnungen aber noch nicht enthalten.
Im zweiten Vortrag befasste sich Dr. Christine Moeller von der Generaldirektion Klimapolitik der Europäischen Kommission mit den Herausforderungen, vor die die EU-Klimapolitik die Landwirtschaft im Allgemeinen und die Tierzucht im Besonderen stellt. Die 20-20-20-Klimaschutz- und Energieziele haben für die Kommission eine große Bedeutung, denn sie gehören zu den fünf EU-Kernzielen der Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum (EUROPA 2020). In der Strategie werden außerdem sieben Leitinitiativen vorgeschlagen, die für die EU und für die Mitgliedstaaten bindend sein sollen, darunter Ressourcenschonendes Europa
, zu dessen Zielen die Abkopplung des Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung und der Übergang zu einer emissionsarmen Wirtschaft gehören. In ihrem Vortrag wies Frau Moeller auf den Fahrplan zur CO2-armen Wirtschaft hin, der im März 2011 veröffentlicht wurde, und ging darauf ein, wie die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2013 bei der Erreichung der Klimaziele behilflich sein kann. Die europäische Landwirtschaft hat ihre Treibhausgas-Emissionen in den letzten fünf Jahren bereits deutlich verringert. Eine genaue Bewertung wird aber durch das derzeit noch unzureichende analytische Instrumentarium erschwert; die Ergebnisse der verschiedenen Studien sind noch zu abhängig von den Bewertungsstandards. Frau Moeller rief die Tierzüchter dazu auf, die Herausforderungen des Klimawandels anzunehmen und an geeigneten, praktikablen Strategien mitzuarbeiten.
Zuvor hatte Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Schons über die Ergebnisse des Geschäftsjahres 2010 und die aktuellen Schwerpunkte der Verbandsarbeit berichtet. Mit Blick auf die EU-Tiergesundheitsstrategie beschäftigt sich die ADT derzeit vor allem mit den Überlegungen der Kommission zum Tiergesundheitsgesetz und den Systemen zur Teilung von Kosten und Verantwortung (CRSS) sowie mit der für November 2011 angekündigten Antibiotikastrategie. Ein anderes Thema ist der Vorschlag zur Einführung der elektronischen Kennzeichnung von Rindern. Im Bereich Tierschutz interessiert insbesondere der Aktionsplan Tierschutz der EU für die Jahre 2011 bis 2015, der Bericht der Kommission über die Erfahrungen mit der EU-Tiertransportverordnung sowie die weiteren Arbeiten in der Europäischen Partnerschaft über die Kastration von Schweinen. Schließlich wird die ADT eine Position zu dem im Frühjahr 2012 erwarteten Vorschlag der Kommission zur Vereinfachung des EU-Tierzuchtrechts erarbeiten; hier geht es um die Bestimmungen für die Anerkennung von Zuchtorganisationen. Außerdem hat die Mitgliederversammlung Anton Fortwengel neu in das Präsidium gewählt. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (ADR) und tritt die Nachfolge von Leo Siebers an, der mehr als 8 Jahre lang die Rinderzüchter vertreten hat. Schließlich nahm die Mitgliederversammlung die ADT Projekt GmbH als neues außerordentliches Mitglied auf.
Der Parlamentarische Abend fand erstmals in der Vertretung des Freistaats Thüringen bei der EU statt und wurde von deren Leiterin Christine Holeschowsky eröffnet. In seiner Ansprache wies Präsident Reimer Böge zunächst auf die inzwischen 10jährige Präsenz der ADT in Brüssel hin. Das Konzept mit einer kleinen und kompetenten Vertretung vor Ort in Verbindung mit starken Fachverbänden in Deutschland hat sich bewährt. Wie gut es angenommen wird, zeigt sich in der immer noch größer werdenden Bandbreite der bearbeiteten Themen. In der anschließenden Diskussionsrunde zum Thema Welche Anstöße wird die künftige GAP für die Tierproduktion in der EU und in Deutschland geben?
stellte Albert Deß (CSU), der agrarpolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, klar, dass das EP sein Recht auf Mitentscheidung über die Vorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2014 entschlossen wahrnehmen wird. Es stehe genügend Zeit für die Beratung zur Verfügung, die endgültigen Beschlüsse dürften aber realistischerweise erst nach den Wahlen in Frankreich und noch vor den Wahlen in Deutschland getroffen werden. Er forderte die Haushaltspolitiker auf, möglichst bald über den endgültigen Finanzrahmen der Agrarpolitik zu entscheiden. Deß wandte sich gegen überzogene Auflagen, zu denen seiner Meinung nach insbesondere die vorgesehene Verpflichtung zur zusätzlichen Stilllegung von 7 % im Rahmen des Greenings
der ersten Säule zählt, und plädierte dafür, dass die EU auch künftig eine wichtige Rolle bei der Versorgung der Welt mit Lebensmitteln spielen soll. Die Fraktion der Liberalen war durch Britta Reimers (FDP) vertreten, die auf die insgesamt positiven Aussichten für die Tierzucht hinwies. Sie forderte ebenfalls Klarheit über den Haushalt und praktikable Bestimmungen in der neuen GAP. Sie erinnerte daran, dass die EU-Kommission in den nächsten Jahren nicht nur die Agrarpolitik ändern will, sondern auch eine mehrjährige Tiergesundheitsstrategie umsetzt und demnächst einen Aktionsplan zur Weiterentwicklung der EU-Tierschutzpolitik vorlegen wird. Alle diese Politikansätze müssten in sich kohärent bleiben. Einer Renationalisierung der Agrarpolitik erteilten beide Politiker eine klare Absage.