Bericht über die Mitgliederversammlung der ADT am 24. Oktober 2022
Die EU-Strategie Vom Hof auf den Tisch (Farm to fork, F2f) lässt noch keine überzeugenden Perspektiven für die Viehhaltung in Deutschland und Europa erkennen. Dafür gibt es zu viele ungelöste Zielkonflikte und es ist bisher auch nicht gelungen, ein angemessenes Gleichgewicht bei der Gewichtung der drei Nachhaltigkeitspfeiler (Ökologie, Wirtschaft und Soziales) zu finden. Dieses Fazit zieht die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter (ADT) nach ihrem Parlamentarischen Abend am 24. Oktober 2022 in der Vertretung des Landes Niedersachsen bei der EU in Brüssel. Dabei wäre es wichtig, die unbestritten notwendigen Änderungen angesichts sich fortentwickelnder gesellschaftlicher Erwartungen an die Tierhaltung und der Herausforderungen bei der Anpassung an den Klimawandel EU-weit in einem kohärenten Transformationsprozess zu gestalten. Die EU hat richtigerweise erkannt, dass es hier nicht nur um die Produktion geht, sondern auch um die Verarbeitung entlang der Lebensmittelkette bis hin zum Verbrauch und dass die jeweils angestrebten Veränderungen sich nicht widersprechen sollten. Weil aber die EU nicht in allen betroffenen Politikbereichen dieselbe Regelungskompetenz hat, besteht das Risiko der Unausgewogenheit. Auch die internationale Dimension wird in der Strategie angesprochen, wobei dies unter der Überschrift
Förderung des globalen Wandels geschieht. Die Absicht ist ehrenwert, wichtiger wäre es jedoch, an der Stelle die konkreten Auswirkungen der geplanten EU-Maßnahmen auf die globale Allokation von Ressourcen für die Lebensmittelproduktion zu thematisieren. Denn die EU ist sowohl einfuhr- als auch ausfuhrseitig sehr stark in weltweite Lieferketten eingebunden und die Globalisierung des Agrarhandels, so kritisch man ihr auch gegenüberstehen mag, hat handfeste Ursachen und die Triebkräfte dafür werden nicht einfach verschwinden. Wenn die Strategie nur dazu führt, dass in Deutschland abgebaute Tierproduktion einfach durch Importe aus Drittländern ersetzt wird oder die Wertschöpfung lediglich in andere Mitgliedstaaten abwandert, dann ist dem Weltklima letztlich nicht geholfen. In der Podiumsdiskussion stellte Ulrike Müller kritisch fest, dass auch sie in der F2f noch nach positiven Signalen für die Bauern suche. Zwar gehe es an vielen Stellen in die richtige Richtung, die Kommission dürfe aber bei der Festlegung der Details den Bogen nicht überspannen (wie zuletzt bei der Vorlage des Entwurfs einer Verordnung zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln). Sie sprach sich für eine Stärkung des Handels aus, damit die Regionen das produzieren, was sie am besten können; dann könne man auch auf einen Ausgleich kommen. Martin Häusling wandte den Blick zunächst zurück in die Zeit, als er ins EP gewählt wurde. Vor 13 Jahren sei der Klimawandel dort noch kein Thema gewesen und bis heute würden aktuelle Ereignisse herangezogen, um die notwendigen Maßnahmen immer wieder hinauszuzögern: vor zwei Jahren sei es Corona gewesen und heute der russische Angriffskrieg. Er warnte davor, dass uns der Verlust der Biodiversität noch schwer treffen werde. Mit Blick auf die Globalisierung solle der Agrarsektor sich nicht als dessen Opfer bezeichnen, schließlich habe die Agrarbranche die Liberalisierung des Handels immer vorangetrieben. Er lobte in dem Zusammenhang die Regelungen im Ökobereich, weil für Importe dieselben Standards gelten wie für die Produkte aus der EU. Peter Jahr sieht in der Strategie viel
Farm, aber wenig
fork". Am Beispiel des Antibiotikaeinsatzes forderte er, dass im Humanbereich gleichwertige Maßnahmen wie in der Veterinärmedizin umgesetzt werden. Er sprach sich für weniger Auflagen aus, schließlich müssten die Landwirrte am Ende noch wirtschaftlich agieren können. Eingeleitet hatte den Abend in der Landesvertretung deren Leiter Michael Freericks, der in seinem Grußwort auf das aktuell schwierige Umfeld für die Landwirte einging und hervorhob, wie wichtig das Aufzeigen von Zukunftsperspektiven für den Sektor ist. Er sicherte zu, dass auch die neue niedersächsische Landesregierung sich der Themen annehmen und den Prozess weiter begleiten werde. Präsident Reimer Böge wiederholte die Forderung nach einer Balance der Pfeiler der Nachhaltigkeit und machte darauf aufmerksam, dass die Tierzucht durch die Züchtung auf Gesundheitsmerkmale vieles für die Nachhaltigkeit leisten kann.
Auf der Mitgliederversammlung am Nachmittag hatte Geschäftsführer Hans-Peter Schons über das Ergebnis des Geschäftsjahres 2021 und aktuelle Schwerpunkte der Verbandsarbeit berichtet, zu denen neben der Afrikanischen Schweinepest und der hochpathogenen aviären Influenza insbesondere der Tiertransport und die Bekämpfung von Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel zählten. Um der gestiegenen Bedeutung des Europäischen Parlaments gerecht zu werden, hat der Verband im letzten Jahr viel mehr Gespräche mit Europaabgeordnetengeführt. Dabei wurde vor allem die Strategie Vom Hof auf den Tisch angesprochen, aber auch so unterschiedliche Themen wie der Entwurf für eine EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, die EU-Taxonomie, der GAP-Strategieplan für Deutschland, die Probleme der Weidetierhalter mit Wölfen, die geplante Ausdehnung des Anwendungsbereich der EU Industrieemissionsrichtlinie oder die Kofinanzierung der Tierseuchenbekämpfung.
Rechtsanwalt Jens Karsten hielt anschließend einen Vortrag über die Taxonomie als ein zentrales Element des europäischen Grünen Deals. Er erläuterte anschaulich, wie die EU dieses Lenkungsinstrument nutzen will, um Kapitalflüsse in wirtschaftliche Tätigkeiten zu lenken, die als nachhaltig
klassifiziert werden. Die anwesenden Vertreter der Tierartendachverbände kritisierten die Empfehlungen der Plattform für nachhaltiges Finanzwesen vom März 2022, die nur drei Wege aufzeigen, auf denen die Tierproduktion einen wesentlichen Beitrag zu den Umweltzielen der Taxonomie-Verordnung leisten kann. Gerade im Hinblick auf den angestrebten umfassenden Umbau der Tierhaltung wäre es hier wichtig, das Fachwissen aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft stärker in die Arbeiten des Gremiums einfließen zu lassen, damit mehr Instrumente gefunden und so viele Tierhalter wie möglich mitgenommen werden können.
Im zweiten Vortrag gab Gereon Thiele, der Leiter des Referats Landwirtschaft und Fischerei bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission, einen Ausblick auf die EU-Gesetzgebung für staatliche Beihilfen im Agrarsektor, die nach der Überarbeitung der Rahmenregelung und der Gruppenfreistellungsverordnung für die Landwirtschaft ab 1. Januar 2023 gelten wird. Die Kommission hat die Vorschriften an die aktuellen strategischen Prioritäten der EU angepasst, insbesondere an die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und den europäischen Grünen Deal. Als Verbesserung werteten die ADT-Mitglieder den Vorschlag der Kommission, die Beihilfeintensität der Investitionsbeihilfen für die Primärproduktion und die Vermarktung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse grundsätzlich auf 65 % anzuheben. Unter besonderen Voraussetzungen (z. B. Junglandwirte, kleine Betriebe, Gebiete in äußerster Randlage) kann die Beihilfeintensität auf 80 bzw. 85 % angehoben werden; bei nichtproduktiven Investitionen wie dem Ausgleich von Schäden durch Tierseuchen wie bisher sogar auf 100 %. Was die Unterstützung des Tierhaltungssektors angeht, so bleiben die Beihilfevorschriften im Wesentlichen unverändert. Das gilt zum Beispiel für das grundsätzliche Verbot der Beihilfen zum Ankauf von Zuchttieren mit einer Ausnahmeregelung, die aber künftig restriktiver gehandhabt wird. Beihilfen für die Einhaltung von nationalen Tierschutzvorschriften, die über die Minimalstandards der EU hinausgehen, können nun für maximal 24 Monate unterstützt werden.
Die Mitgliederversammlung hat zudem das Präsidium neu gewählt. Reimer BÖGE wurde einstimmig für eine weitere Amtszeit von drei Jahren als Präsident der ADT bestätigt. Zum Vizepräsidenten wurde Georg GEUECKE, der Vorsitzende des Bundesverbandes Rind und Schwein (BRS) bestimmt. Er folgt in dieser Position auf Hans-Benno WICHERT, der den ADT-Vorstand auf eigenen Wunsch verlassen hat. Böge gratulierte Wichert zur kürzlich erfolgten Wahl zum Präsidenten des Gesamtverbandes der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände. Er dankte ihm für mehr als neun Jahre vertrauensvolle Zusammenarbeit, während der Wichert die Belange des Schweinesektors mit hoher Kompetenz vertreten und die ADT auch nach außen als durchsetzungsstarker Gesprächspartner repräsentiert hatte. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung ist im ADT-Präsidium unverändert durch den Vorsitzenden des Bereiches Zucht, Theodor LEUCHTEN, vertreten und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) durch seinen Vorsitzenden Friedrich-Otto Ripke, die beide ebenfalls einstimmig wiedergewählt wurden.