Tierzüchter und Tierärzte gemeinsam gegen Antibiotikaresistenzen
In Partnerschaft mit dem luxemburgischen Ratsvorsitz und der Europäischen Kommission hat die Europäische Vereinigung der Tiergesundheitsdienste (FESASS) am 23. Oktober 2015 in Brüssel eine Konferenz über die Maßnahmen der Tierzüchter und der Tierärzte zur Bekämpfung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen organisiert. Gesundheitskommissar Vytenis ANDRIUKAITIS und der luxemburgische Landwirtschaftsminister Fernand ETGEN haben aktiv an dieser Veranstaltung teilgenommen, bei der rund 200 Teilnehmer aus 27 Ländern anwesend waren. Die Statements haben das Engagement der europäischen Tierzüchter und Tierärzte für eine effiziente und vorsichtige Nutzung von Antibiotika hervorgehoben. Die Debatte hat gezeigt, dass zwischen den Behörden und den Beteiligten ein breiter Konsens über die Notwendigkeit herrscht, die Effizienz der Antibiotika längerfristig sicherzustellen.
Der Leiter der luxemburgischen Veterinärbehörde, Félix WILDSCHUTZ eröffnete die Konferenz und unterstrich das Ausmaß der Herausforderungen bei der Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen. In einer Videomitteilung hob OIE-Generaldirektor Bernard VALLAT die internationale Dimension der Problematik hervor, die eine gute zwischenstaatliche Zusammenarbeit erforderlich macht, welche sich insbesondere auf die Tierzüchter und Tierärzte stützt. Anschließend hat Koen Van DYCK, Referatsleiter in der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DG SANTE) der EU-Kommission, erklärt, dass die Bekämpfung der Ausweitung der Antibiotikaresistenzen eine wesentliche Priorität für die Kommission darstellt und die wichtigsten Maßnahmen des entsprechenden Aktionsplans für die Jahre 2011 bis 2016 erläutert.
Nach dieser welt- und europaweiten Übersicht kamen die Praktiker zu Wort. Gerhard WITTKOWSKI moderierte die erste Gesprächsrunde, in der zunächst João PALMEIRO, Vorsitzender der FESASS-Arbeitsgruppe « Tierarzneimittel », verschiedene Maßnahmen vorstellte, welche die privaten Tiergesundheitsdienste gemeinsam mit den Tierzüchtern umsetzen. Neben der Sensibilisierung für die Problematik und der Ausbildung zählen dazu direkte und indirekte Vorbeugemaßnahmen (Überwachung, Diagnostik, Biosicherheit etc.). Anhand eines konkreten Beispiels in einem Betrieb erläuterten Isabelle TOURETTE, Veterinärrätin bei GDS France, und Vincent BOCHART, Milchviehhalter im Département des Rhône (Frankreich), wie die Fortbildung für die Tierzüchter organisiert ist und welche Auswirkungen das auf die Betriebsführung und den Verbrauch von Antibiotika hat.
In der zweiten Gesprächsrunde stand das Engagement der Tierärzte im Mittelpunkt. Der Direktor des Dachverbands der europäischen Tierärzte (FVE), Jan VAARTEN, betonte, dass seine Organisation sich ganz besonders gegen die zunehmenden Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel (AMR) einsetzt. Er sieht die Tierärzte als eine der Hauptakteure beim verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika sowie bei der Überwachung der Resistenzen. Am Anschluss daran hat FVE-Vizepräsident Rens Van DOBBENBURGH die Aktivitäten vorgestellt, die in den Niederlanden vor dem Hintergrund einer starken gesellschaftlichen Besorgnis hinsichtlich der Risiken der AMR durchgeführt werden. Er erklärte, wie durch das Zusammenspiel von gesetzlichen Vorschriften und privater (kollektiver und individueller) Initiativen der Verbrauch von Antibiotika innerhalb von 4 Jahren um 57% gesenkt werden konnte.
Eine dritte Gesprächsrunde befasste sich mit konkreten Mitteln und Maßnahmen, welche die verschiedenen Beteiligten bei der Bekämpfung der AMR unterstützen können. Dazu zählen Schnelltests und Datenerhebungen. Marc SAULMONT, Abteilungsleiter beim wallonischen Tiergesundheitsdienst ARSIA, stellte ein neues, von ARSIA genutztes, ursprünglich für die Humanmedizin entwickeltes, massenspektrometrisches Verfahren vor, welches die Analysen erheblich beschleunigen sowie ihre Genauigkeit und ihre Zuverlässigkeit verbessern kann, und gleichzeitig weniger kostet. Dank dieser Technik und des für eine schnelle Übermittlung von Informationen ausgearbeiteten Verfahrens sind effizientere Verschreibungen von Antibiotika möglich. Darüber hinaus erlaubt dieses Verfahren eine bessere Überwachung der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. Anschließend hat Martine TRAUFFLER von der Universität Wien den Verfahrensablauf für die Erhebung von Daten zum Antibiotikaverbrauch in Österreich vorgestellt. Am Beispiel einer Studie zur Erhebung von Daten in der Schweinehaltung konnte sie zeigen, dass es mit diesem Verfahren möglich ist, die Gründe der Antibiotikanutzung durch den Tierhalter zu analysieren und mögliche Verbesserungen vorzuschlagen.
Die Nachmittags-Sitzung wurde von EU-Kommissar ANDRIUKAITIS eröffnet, der den Einfluss der Antibiotikaresistenzen auf die Gesundheit und die Lebensmittelsicherheit unterstrich. Er verwies darauf, dass es sich um eine weltweites Problem handelt, das im Rahmen des Eine Gesundheit
-Ansatzes angegangen werden müsse. Andriukaitis verdeutlichte die potenziellen Gefahren, denn falls die aktuelle Tendenz andauert, sprechen Prognosen von bis zu 10 Millionen Todesfällen pro Jahr in 2050. Der Kommissar bewertete die Fortschritte der letzten Jahre positiv, rief aber nichtsdestotrotz dazu auf, in der Bekämpfung der AMR voranzuschreiten. Er betonte, dass es sich hierbei um eine der wichtigsten Prioritäten seines Mandats handele.
Im Namen der Luxemburger Präsidentschaft bekräftigte Minister ETGEN, dass die AMR-Problematik eine sehr wichtige Angelegenheit ist und dass er sich dafür einsetzt, das Engagement der Tierzüchter und Tierärzte zu unterstützen. Er betonte die Notwendigkeit, die Tiere vernünftig zu behandeln und somit auch für den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu sorgen.
Remy PETITOT, Assistent der Europaabgeordneten Berichterstatterin für den Vorschlag für eine Verordnung über Tierarzneimittel Françoise GROSSETÊTE, erläuterte anschließend den Sachstand der Überlegungen der EU-Parlamentarier zu den Vorschlägen der Kommission. Der Hauptwunsch der Berichterstatterin und vieler Parlamentarier sei es, dafür zu sorgen, dass die künftige Verordnung einen strikteren Rahmen für die Anwendung von Antibiotika in der Tierzucht festlegt. So befürworte Frau GROSSETE zum Beispiel eine obligatorische klinische Untersuchung vor der Verschreibung von Antibiotika.
Die Vertreter von Kommission, Ministerrat und Parlament führten anschließend ein e Paneldiskussion mit FVE-Präsident Rafael LAGUENS, FESASS-Präsident Didier DELMOTTE, IFAH Europe-Präsident Christian BEHM und Miguel-Angel HIGUERA, Vizepräsident der Gruppe Veterinärfragen von Copa-Cogeca. Dabei zeichnete sich ein allgemeiner Konsens ab, wonach eine Mobilisierung auf allen Ebenen stattfinden muss, um die Verfügbarkeit und die Effizienz der Antibiotika in der Tierzucht im Rahmen eines verantwortungsvollen Einsatzes sicherzustellen. Unterschiedliche Auffassungen gab es im Hinblick auf die prophylaktische Anwendung von Antibiotika. Während der Kommissar und viele Parlamentarier für ein schnelles Verbot plädieren, sind die Tierzüchter der Ansicht, dass darüber erste entschieden werden sollte, wenn alternative Lösungen verfügbar sind. Ansonsten kann die Tiergesundheit in den betroffenen Herden und Betrieben nicht gewährleistet werden. Alle Teilnehmer unterstrichen die Notwendigkeit, für Einfuhren aus Drittländern das gleiche Garantieniveau in Bezug auf die Anwendung von Antibiotika und die Bekämpfung von Antibioresistenzen zu fordern.
Ein zweites Panel mit Ariane VANDER STAPPEN, Referat Arzneimittel - Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit in der GD Sante, Frau GRASGES vom Tiergesundheitsdienst Luxemburg und Gilles LAVOLLEE, Vizepräsident der FESASS, Rens van DOBBENBURGH, Vizepräsident der FVE und Peter OOSTENBACH, Mitglied des EPRUMA-Direktoriums, diskutierte über die Prioritäten für die konkreten Vor-Ort-Maßnahmen in den nächsten Jahre. Auch dieses Panel betonte, wie wichtig die Partnerschaft zwischen den Tierärzten und Tierzüchtern in gemeinsam organisierten Strukturen ist und dass der Fortbildung große Bedeutung zukommt.
Zum Abschluss der Konferenz erinnerte Didier DELMOTTE daran, dass die AMR-Problematik eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit verlangt. Er unterstrich, dass diese Konferenz das starke Engagement der europäischen Institutionen und der auf allen Ebenen Beteiligten bestätigt hat. Diese Mobilisierung stellt Europa in eine Leader-Position. Dies ist auch seine Pflicht, denn es geht darum, den zukünftigen Generationen eine bessere Welt zu bieten.
Die FESASS bedankt sich bei der Luxemburgischen Ratspräsidentschaft und der EU-Kommission für die organisatorische Unterstützung sowie bei den Rednern und Panel-Mitgliedern und bei allen Teilnehmern.
Besonderer Dank gilt Dr. Gerhard WITTKOWSKI, der die Fotos dieser Konferenz beigesteuert hat.
Die Videobotschaft von OIE-Generaldirektor Bernard Vallat können Sie mit Hilfe des folgenden Links von der Website der FESASS anschauen:
http://www.youtube.com/v/QyeW7F9BIYY&rel=0
Den vollständigen Mitschnitt der Konferenz (aufgeteilt auf 8 Videos) finden sie im You tube-Kanal der FESASS:
https://www.youtube.com/channel/UC2oEwoDaeFhHzOePZJvL_UA
Die Präsentationen können Sie hier herunterladen: