Zweite Welt-Tierschutzkonferenz in Kairo
Die Verbesserung der nationalen Tierschutzgesetzgebung, die Unterstützung von Leitlinien der guten Praxis, die Ermutigung der Wirtschaft, sich auch bei privaten Tierschutzstandards an die OIE-Leitlinien zu halten, eine stärkere Verankerung des Tierschutzes in der Aus- und Weiterbildung sowie die Annahme einer UN-Resolution zum Tierschutz zählen zu den Maßnahmen, auf die sich die 172 Mitgliedstaaten der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) am Ende der zweiten Welttierschutzkonferenz in einer Resolution geeinigt haben. Die Veranstaltung fand vom 20. bis 22. Oktober 2008 unter dem Generalthema Putting the OIE Standards to work
(OIE-Standards umsetzen) in der ägyptischen Hauptstadt Kairo statt und war mit rund 400 Teilnehmern recht gut besucht. Für die Europäische Vereinigung für Tiergesundheit und gesundheitliche Sicherheit (FESASS) nahmen deren Präsident Bernard Terrand und ADT-Geschäftsführer Dr. Hans-Peter Schons daran teil.
Die Vorträge des ersten Tages beleuchteten den Kontext, in dem die OIE-Leitlinien entstanden sind und die Strategien für deren Umsetzung. Vertreter aus Afrika und dem Mittleren Orient räumten ein, dass in vielen Ländern aus kulturellen oder religiösen Gründen diese Umsetzung noch keine so großen Fortschritte gemacht hat. Manchmal fehlten aber auch die finanziellen Mittel oder die organisatorischen Grundlagen seien noch nicht geschaffen. Andererseits wurde der klare Willen bekundet, die Tierschutzprobleme anzugehen und es wurden erfolgreiche Beispiele und Ansätze vorgestellt. Mehrmals hervorgehoben wurde das Problem der Langstreckentransporte von Schlachtvieh. Am Beispiel Australien wurde gezeigt, wie die OIE-Standards für den Tiertransport in die Praxis umgesetzt werden. Die staatlichen Vorschriften werden in Australien durch von der Wirtschaft getragene Qualitätssicherungsprogramme ergänzt. Man belässt es nicht bei der Definition von Anforderungen, sondern bemüht sich um die Einbindung aller relevanten Interessengruppen, um auf allen Stufen akzeptable Kriterien für den Tierschutz zu finden. Die Standards und Verfahren beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, aber auch auf praktischen Erfahrungen. Die ganze Kette wird in das Risikomanagement einbezogen, angefangen von der guten Vorbereitung der Tiere vor dem Transport, über die eigentliche Beförderung durch kompetentes Personal in gut ausgestatteten Transportmitteln bis hin zur ausreichenden Betreuung der Tiere. Darüber hinaus hat Australien mit mehreren Ländern des Nahen Ostens regionale Pläne zur Umsetzung der Standards vereinbart. In diesem Rahmen werden z. B. Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen für die Fahrer oder das Personal in den feedlots
angeboten.
Am zweiten Tag berichteten Vertreter verschiedener Interessengruppen über ihre Erfahrungen und Positionen. Bei den Vertretern des öffentlichen Dienstes standen dabei die Vorschriften zum Töten von Tieren zur Tierseuchenbekämpfung in Europa und in China, die praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Leitlinien zum Schlachten in Botswana und die Maßnahmen zur Kontrolle von Streunerhunden im Mittelpunkt. Die Vertreter der Tierschutzorganisationen stellten heraus, wie durch Verbandsarbeit auf internationaler Ebene und in einzelnen Ländern (Brasilien, China) konkrete Fortschritte erzielt wurden. Die Repräsentanten der Wirtschaft erläuterten die von den Branchenverbänden entwickelten privaten Standards. Der Vertreter der Fleischbranche sprach sich insbesondere gegen eine Tierschutzkennzeichnung von Fleisch aus. Die Vertreterin des Internationalen Milchindustrieverbandes stellte den Guide to Good Animal Welfare in Dairy Production
vor (der nicht nur für Milchkühe, sondern auch für Büffel, Schafe und Ziegen gilt), mit dem auf globaler Ebene Gute Tierschutz-Praktiken
in der Milcherzeugung gefördert werden sollen.
In getrennten Sitzungen wurde anschließend in vier Diskussionsrunden in kleineren Gruppen über die Prioritäten und Herausforderungen für die künftige Planung der Umsetzung von OIE-Standards gesprochen. Zwei Foren befassten sich mit den Erfordernissen und den Mitteln (needs and tools) für die Umsetzung, die beiden anderen mit den strategischen Prioritäten für künftige Standards sowie mit den Prioritäten für Forschung und Ausbildung. Zum Schluss wurde über die oben erwähnte Resolution abgestimmt.
Hintergrund:
Die OIE ist in erster Linie für die weltweite Verbesserung der Tiergesundheit zuständig, aber die Mitglieder (das sind in der Regel die Vertreter der staatlichen Veterinärdienste) übertrugen ihr vor einigen Jahren auch die Zuständigkeit für den Tierschutz. Darauf hin nahm die OIE im Jahr 2005 vier Leitlinien zum Tierschutz an, die sich auf den Tiertransport zu Land und zu Wasser, auf die Schlachtung von Tieren, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, und auf die schmerzfreie Tötung von Tieren im Rahmen von Seuchenbekämpfungsmaßnahmen beziehen. Von großer Bedeutung ist, dass diese Standards vollständig wissenschaftlich begründet sind, weil dies die einzige Möglichkeit ist, die vielen Mitglieder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Außerdem erfolgt die Annahme der Standards in einem völlig demokratischen Prozess nach den von der OIE festgelegten internen Regeln. Die Annahme der Standards durch die Delegationen kommt einer offiziellen Verpflichtung der Regierungen zu deren Umsetzung gleich. Erklärtes Ziel der zweiten Welttierschutzkonferenz war die Förderung der weltweiten Umsetzung der genannten OIE-Leitlinien; überdies sollte der Stellenwert des Tierschutzes erhöht und Tierärzte sowie Veterinärbehörden ermutigt werden, mehr Verantwortung für den Tierschutz zu übernehmen.
Für die Tierzüchter in der EU ist relevant, dass die OIE bei diesem Thema eng mit der Europäischen Kommission zusammen arbeitet. Die Ziele der Konferenz stimmen mit denen des Aktionsplans für den Schutz und das Wohlbefinden von Tieren 2006—2010 überein. Die Kommission unterstützte die Konferenz sogar mit 200.000 EUR, weil sie sich merklich auf die Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Veterinärrechts auswirken könne
. Vor dem Hintergrund des in der EU mehrheitlich sowohl von Landwirten als auch von Verbrauchern geäußerten Wunsches, dass in den Ländern, aus denen tierische Erzeugnisse in die Gemeinschaft eingeführt werden, gleichwertige Tierschutzstandards gelten, sind Fortschritte in Drittländern im Bereich Tierschutz für die Gesetzgebung der EU von Bedeutung. Zudem möchte die OIE nicht nur die bestehenden Leitlinien weiterentwickeln und die Mitgliedstaaten bei deren Umsetzung unterstützen (insbesondere durch Fortbildung und Anleitung), sondern darüber hinaus sind bereits neue Tierschutzleitlinien in Arbeit, z. B. für Versuchstiere oder für Tierhaltungssysteme (erwähnt wurden Masthähnchen und Milchvieh). Wenn aber die OIE bspw. spezielle Vorschriften für die Milchkuhhaltung entwickelt, könnte sich die EU schwerer der Forderung entziehen, eigene Richtlinien für diesen Bereich zu haben.
Die Pressemeldung der OIE zur Konferenz sowie Links zur Resolution und der Eröffnungsrede von Generalsekretär Vallat finden Sie im Internet unter:
www.oie.int/eng/press/en_081022.htm
Alle Beiträge zur Konferenz werden auf der folgenden Internetseite der OIE eingestellt: